2.1.1 Rationale Medienwahl
Bei der rationalen Medienwahl wird unter objektiven Gesichtspunkten ein Medium für die jeweilige Kommunikationssituation ausgewählt. Dabei bilden im Wesentlichen die drei mit Theorien hinterlegten Faktoren „soziale Präsenz“, „mediale Reichhaltigkeit“ sowie „Backchannel-Feedback“ die Bewertungs- und Entscheidungsgrundlage (vgl. Döring 2003: 132 f.).
Die soziale Präsenz bezieht sich nach Short et. al. (1976) auf den Grad der persönlichen, warmen, sensiblen und geselligen Kommunikation, die über ein Medium möglich ist (vgl. Short, Williams & Christie 1976: 64 ff.). Es ist jedoch kein objektives Medienmerkmal, sondern ein subjektiver Eindruck, der bei der Kommunikation entsteht. Der Grad ist von den jeweiligen Kommunikationspartnern abhängig. Beeinflusst wird die Beurteilung der sozialen Präsenz auch durch die Anzahl der vorhandenen Kommunikationskanäle, was eine objektive Medieneigenschaft darstellt. So ist die asynchrone, textbasierte Kommunikation auf den Textkanal reduziert, was mit der Reduktion möglicher sozialer Präsenz einhergeht. Im Gegensatz dazu bietet beispielsweise die Kommunikation mithilfe einer Videokonferenz deutlich mehr Kanäle, wie z. B. den auditiven und nonverbalen Kanal, weshalb eine höhere soziale Präsenz angenommen werden kann.
Die mediale Reichhaltigkeit adressiert die Mehrdeutigkeiten, die während der Kommunikation entstehen. Je besser ein Medium die Bearbeitung und den Umgang mit mehrdeutigen Informationen unterstützt, desto reichhaltiger ist es (vgl. Daft & Lengel 1984, 1986). Reinen Informationsdefiziten kann mit medial armen Medien, beispielsweise einer Rund-E-Mail mit einer Benachrichtigung über eine Terminverschiebung, entgegen gewirkt werden. Geht es jedoch um komplizierte Kommunikationsinhalte, bei denen nicht klar ist, welche Inhalte relevant und wie diese zu bewerten sind, ist ein medial reichhaltiges Medium notwendig. Beispielsweise wird zu Beginn eines Projektes ein ftf Treffen der Teilnehmer abgehalten, um alle Unklarheiten zu beseitigen und Vorschläge zur Realisierung aufzunehmen, wofür ein medial armes Medium wie E-Mail nicht geeignet ist und die Kommunikation in diesem Fall nicht gleichermaßen effizient wäre. Würde man beispielsweise Telefon, Videokonferenz oder gar ein ftf Treffen ansetzen, um die erwähnte Terminänderung bekannt zu geben, wäre dies ebenfalls weniger effizient als eine Rund-E-Mail. Diesen Zusammenhang stellt die Abbildung 2.1.1 dar.
Ein weiteres Bewertungskriterium ist das sogenannte Backchannel-Feedback. Es ist umso höher, je mehr Möglichkeiten ein Medium bereitstellt, um zeitnah Reaktionen des Kommunikationspartners zu erhalten bzw. selbst zu reagieren (vgl. Döring 2003: 132). Beispielsweise bieten ein Videostream oder eine klassische TV-Übertragung zwar den visuellen, akustischen, und nonverbalen Kanal, jedoch kann dabei keine wechselseitige Kommunikation, wie sie als CviK definiert wurde, stattfinden. Die Produktion einer Reaktion ist bei diesem Medium zeitaufwendig und erfolgt deshalb nicht unmittelbar. Im Gegensatz dazu können bei einer Videokonferenz die Kommunikationsteilnehmer sofort Rückmeldungen über alle vorhandenen Kanäle erhalten.
Eine Weiterentwicklung der medialen Reichhaltigkeit und der Backchannel-Feedback Theorie stellt die Media-Synchronicity Theorie dar. Nach dieser ist das Potenzial eines Mediums durch die folgenden fünf Faktoren festgelegt: Geschwindigkeit des Feedbacks, Symbolvarietät, Parallelität, Überarbeitbarkeit und Wiederverwendbarkeit. Dabei wird die Medienwahl nicht nur für eine bestimmte Kommunikationsaufgabe getroffen. Sie stellt vielmehr einen Prozess dar, bei welchem sich die Kommunikationsteilnehmer aufeinander abstimmen (vgl. Dennis & Valacich 1999).