Begriffsbestimmung

1.2 Begriffsbestimmung

1.2.1 Medium

Ein Medium wird, im Zusammenhang mit computervermittelter Individualkommunikation, nach Thiedeke als „[…] Strukturen technischer Instrumente, […] die der Mitteilung von Informationen über lokale, temporale und soziale Distanzen dienen“ (Thiedeke 1997: 336)⁠ verstanden.

1.2.2 Computervermittelte Individualkommunikation

Nach Köhler (2003)⁠ ist computervermittelte Kommunikation (CvK) jene Kommunikation, „[…] bei der mindestens zwei Individuen in einer nicht ftf Situation durch die Anwendung eines oder mehrerer computerbasierter Hilfsmittel miteinander in Beziehung treten“ (Köhler 2003: 18 f.)⁠. Diese Definition ist unzureichend. Es ist zwar eine Abgrenzung zur ftf Kommunikation sowie zu klassischen Medien wie analogem Telefon und TV gegeben, aber Internet-Telefonie (VoIP) und IPTV werden ebenfalls mit einbezogen. Da Computertechnik seit Längerem ebenfalls bei den klassischen Massenmedien wie TV beim TV-Sender eingesetzt wird, ist auch die Abgrenzung diesbezüglich nicht mehr gegeben. Um diese Abgrenzung zu gewährleisten, wird von computervermittelter Individualkommunikation (CviK) ausgegangen. Diese wird in Anlehnung an Köhler (2003)⁠ wie folgt definiert:

Computervermittelte Individualkommunikation (CviK) ist jene Kommunikation, bei der mindestens zwei Individuen, welche sich in gleicher Weise an der Kommunikation beteiligen können, in einer nicht-ftf Situation durch die beidseitige Anwendung computerbasierter Hilfsmittel miteinander in Beziehung treten.

1.2.3 Kontakt

Ein interpersoneller Kontakt zwischen zwei Individuen1 ist eine zumindest flüchtige Beziehung, welche aus einer zumindest einmaligen, bidirektionalen Kommunikation entsteht, bei der die Namen bzw. eindeutige Identifikationsmerkmale der Individuen ausgetauscht werden. Der Kontakt besteht, solange die Möglichkeit einer erneuten Kommunikation gegeben ist.

Diese Definition ist aus dem Experiment von Milgram (1967)⁠ und der Arbeit von Choudhury u.a. (2010)⁠ abgeleitet. Der Austausch von Namen bzw. eindeutigen Identifikationsmerkmalen ist enthalten, weil dies die Grundvoraussetzung ist, um einen Kontakt reaktivieren zu können. Kann einer der Kontaktpersonen sein Gegenüber später nicht mehr identifizieren, ist der Kontakt zu dieser Person beendet, da sie ihn nicht mehr reaktivieren kann. Choudhury u.a. (2010)⁠ weisen darauf hin, dass ein einmaliger, bidirektionaler Kommunikationsvorgang nicht zwangsläufig bereits einen sozialen Kontakt bedeuten muss, jedoch kann. Auf die Qualität der Kontakte wird in diesem Buch nicht eingegangen, sie kann jedoch aus der Anzahl der Kommunikationsvorgänge, abgeleitet werden.

1.2.4 Graph

Aus der Definition für Kontakt ergeben sich mehrere Einschränkungen der allgemeinen Graph-Definition. Zum einen ist der Kontakt bidirektional, was einen ungerichteten Graphen ergibt. Zum anderen wird ein zumindest einmaliger Kommunikationsvorgang vorausgesetzt und keine weitere Gewichtungsspezifikation vorgenommen, weshalb der Graph ungewichtet ist. Ebenso wird nichts über weitere mögliche Attribute der Relationen ausgesagt, weshalb eine Relation nur zwei Zustände annehmen kann: vorhanden oder nicht vorhanden. Dies ergibt die folgende Definition:

Sei G=(V,E) ein ungewichteter, ungerichteter Graph mit Knoten v aus der Menge
V={v1,…,vn} und Kanten eij=eji aus der Menge E ⊆ V×V zwischen den Knoten vi und vj. Sei weiterhin ki der Kantengrad eines Knotens vi, mit vi∈V und ki,vi∈ℤ. Die Nachbarschaft2 eines Knotens vi ist die Menge Ni∈V die alle Knoten vj enthält, welche mit dem Knoten vi durch eine Kante verbunden sind und somit Ni={vj}:eij∈E gilt.

1.2.5 Soziales Netzwerk

In den späten 60er Jahren wurde der Begriff des sozialen Netzwerks in Bezug auf die Graphentheorie als „a specific set of linkages among a defined set of persons with the additional property that the characteristics of these linkages as a whole may be used to interpret the social behavior of the persons involved“ (Mitchell 1969: 2)⁠ definiert. Allgemeiner lässt sich ein soziales Netzwerk definieren als eine Menge von Individuen, welche durch Interaktionen Verbindungen zueinander herstellen. In Bezug auf die Graphentheorie werden die Individuen durch Knoten und die Interaktionen durch Kanten repräsentiert (vgl. Barnes 1977: 237; Castells 2005: 9)⁠. Graph und Netzwerk sind synonyme Konzepte (vgl Omidi & Masoudi-Nejad 2010: 191)⁠ und werden deshalb auch so verwendet.

1.2.6 Soziales virtuelles Netzwerk

Nach Theis (1994)⁠ ist Kommunikation im Zusammenhang mit Netzwerken „[…] das Bindeglied zwischen den Mitgliedern eines Systems (einer Organisation), die als Knoten in einer größeren Struktur gesehen werden“ (Theis 1994: 235)⁠. Bezieht man Höflich (2003: 65f.)⁠ mit ein, nach welchem im Internet informations- und kommunikationsgetriebene virtuelle Gemeinschaften entstehen, lässt sich ein virtuelles soziales Netzwerk (sovine) folgendermaßen definieren:

Ein virtuelles soziales Netzwerk ist ein soziales Netzwerk, bei welchem die Interaktion in Form von computervermittelter Individualkommunikation stattfindet.

1In der Sozialforschung auch als Ego bezeichnet (vgl. Fuchs-Heinritz u. a. 2007: 150)⁠.

2In der Sozialforschung werden Knoten, welche mit dem Ego über direkte Kontaktbeziehungen verbunden sind, als Alteri bezeichnet (vgl. Fuchs-Heinritz u. a. 2007: 150)⁠. Somit ist |V| die Menge der Alteri.

Kaiser, A. (2011): Social Virtuality – Strukturen, Dynamik, Analyse und Simulation in sozialen virtuellen Netzwerken (1. Aufl.). Herzogenrath: Shaker Verlag

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Informatiker (Dipl-Inform (FH) & MSc.), Analyst (SNA) und Fachbuchautor
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